Buchtipp: „Von Quotenfrauen und alten weißen Männern“
Alte weiße Männer sind Schuld am Klimawandel und denken nur an sich, Frauen in Führungspositionen haben den Job nur, um eine bestimmte Quote zu erfüllen - diese und andere Vorurteile begegnen und allen regelmäßig, oft auch ohne, dass es uns überhaupt bewusst ist.
Welche Auswirkungen das aber auf unseren Arbeitsalltag hat und warum sich Unternehmen in Zeiten eines stetig wachsenden Fachkräftemangels das nicht mehr leisten können, erklärt Spiegel-Bestsellerautorin Annahita Esmailzadeh in ihrem neuen Buch: „Von Quotenfrauen und alten weißen Männern - Schluss mit Vorurteilen in der Arbeitswelt!"
Statt mit dem mahnenden Zeigefinger, erklärt Annahita anhand alltäglicher und persönlicher Beispiele, wo uns Vorurteile begegnen und wie sie uns einschränken können. Dazu hat sie ein ausführliches Interview mit uns geführt:
Was hat dich dazu bewegt, das Buch zu schreiben?
Vorurteile begleiten uns alle alltäglich. Wir werden selber Opfer von Vorurteilen, aber wir selber haben auch Schubladen in unseren Köpfen, die den Umgang mit unseren Mitmenschen ganz massiv beeinflussen. Sie bringen uns dazu, Menschen potenziell schlechter zu behandeln und diese Benachteiligung macht auch vor der Arbeitswelt keinen Halt. Und deswegen war es für mich sehr wichtig, dass es ein Buch gibt über Vorurteile im Kontext der Arbeitswelt. Dieses Buch gab es noch nicht und das musste ich ganz unbedingt ändern.
Du schilderst in dem Buch eine Geschichte, die das Thema „Vorurteile am Arbeitsplatz“ ganz gut auf den Punkt bringt
Also ich selber saß vor einiger Zeit beim Essen mit einer größeren Gruppe als ein Herr, der Teil der Gruppe war, den ich bis zu dem damaligen Zeitpunkt nicht kannte, sich lautstark darüber aufregte, dass man heutzutage aufgrund der ach so nervigen political correctness ja gar keine Witze mehr über Minderheiten machen darf.
Und er selber erzählte dann ganz stolz, dass er selbst bei ihm im Unternehmen, von dem er Geschäftsführer ist, eine Handvoll Ausländer, wie er sie nannte, hat, die sogar selber über seine „Ausländer-Witze“ lachen würden. Ihm kam aber nicht in den Sinn, dass es als Minderheit schwer ist, gegen eine solche Art von diskriminierenden Verhalten vorzugehen, vor allem wenn augenscheinlich, dieses Verhalten von der Mehrheit in der Belegschaft geduldet oder sogar gutgeheißen wird.
Und Menschen wie dieser Mann sind sehr häufig Menschen, die privilegiert sind, dahingehend, dass sie selbst noch nie erleben mussten, wie es ist, aufgrund eines Aspektes, für den man nichts kann, so wie die ethnische Herkunft oder die Hautfarbe diskriminiert, benachteiligt und ausgeschlossen zu werden oder sich Witze anhören zu müssen, die dieses ganze Konzept von Diskriminierung pauschal klein oder sogar komplett weg reden wollen. Und deswegen ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass wir über unseren Tellerrand blicken und dass wir uns nicht nur empören, wenn etwas uns unmittelbar selbst betrifft.
Woher kommen Vorurteile eigentlich?
Vorurteile sind evolutionär bedingt ganz tief in uns allen verankert. Wenn unseren Vorfahren früher ein Säbelzahntiger über den Weg gelaufen ist, dann haben sie ja hoffentlich nicht lange überlegt, ob sie es jetzt mit dem menschenfreundlichen Tiger zu tun oder nicht, wenn sie sich darüber Gedanken gemacht haben, dann haben sie diese Begegnung meistens nicht überlebt.
Das heißt, unsere Vorurteile haben wirklich eine existenzielle Daseinsberechtigung gehabt in der Steinzeit, jetzt ist es aber so, dass wir nicht mehr in der Steinzeit leben. Und dieses Schubladen-Denken ist daher sehr häufig eher hinderlich.
Was können wir gegen diese Vorurteile unternehmen?
Wenn ich Vorträge halte über dieses Thema, dann begegne ich immer zwei Arten von Menschen: einmal der Art, die auf mich zukommt und sagt: „Wow, das war super, einleuchtend. Und ich musste mir ehrlich gesagt echt an die eigene Nase fassen“ und Menschen, die zu mir kommen und sagen: „ja, Frau Esmailzadeh, Sie haben jetzt zum Beispiel Rassismus angesprochen und aus meiner Sicht gibt es das nicht und mein Nachbar, der ist auch Türke und fühlt sich auch nicht diskriminiert“.
Und genau diese zweite Kategorie von Menschen sollte sich mit diesem Thema besonders auseinandersetzen, weil wenn wir unsere Vorurteile beseitigen wollen, müssen wir zunächst eines tun: wir müssen sie akzeptieren, denn nur wenn wir akzeptieren, dass wir alle nicht gefeit sind vor Schubladen-Denken, sind wir in der Lage, unsere Schubladen überhaupt erst offen zu lassen und auch stetig auszumisten.
Das Buch handelt „Von Quotenfrauen... - wie sinnvoll ist die Frauenquote?
Aus meiner Sicht muss man die Emotionalität aus der ganzen Quoten-Diskussion herausnehmen, denn die Quote ist im Endeffekt nichts anderes als ein Instrument, um ein unterrepräsentierten Bevölkerungsanteil einen gerechteren Partizipations-Anteil zu ermöglichen.
Wenn man sich umschaut in der deutschen Wirtschaft und in der deutschen Politik, dann sind Frauen, je weiter man nach oben blickt, immer seltener vorzufinden. Und die freiwilligen Selbstverpflichtungen, auf die man sehr, sehr lange gesetzt hatte, die haben nachweislich sehr wenig gebracht. Und deswegen ist die Quote aus meiner Sicht ein wichtiges Instrument, um diesen Status quo zu verändern. Aber sie ist auf gar keinen Fall ein Garant für Vielfalt über alle Diversitäts-Dimensionen.
Und „alten weißen Männern" - was hat es damit auf sich?
Ein sehr großes Anliegen in meinem Buch ist auch, gegen dieses Klischee-Bild vorzugehen, das es gibt gegen Männer, die eine weiße Hautfarbe haben und ein fortgeschrittenes Alter, weil aus meiner Sicht aktuell eine Bewegung stattfindet, die ich sehr destruktiv finde.
Und zwar, dass man ein Feindbild konstruiert, dem man die Schuld gibt für fehlende Gleichberechtigung, fehlende Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit und so weiter. Und wenn wir die lebte Gleichberechtigung wollen, dann müssen wir in einem Miteinander denken und nicht Klischee-Bilder schaffen und danach aber im gleichen Zuge einfordern, dass es irgendwie Gleichberechtigung geben soll.
Und deswegen ist es mir ganz fern, für alle alten weißen Männer Ratschläge zu geben, weil sehr viele alte weiße Männer diese Ratschläge nicht brauchen. Und aus meiner Sicht kann auch eine junge, nicht weiße Frau in sehr vielen Aspekten diskriminierend unterwegs sein und da den Blick öffnen müssen, um dem Umfeld mit Offenheit zu begegnen. Also da müssen wir aus meiner Sicht komplett weggehen.
Wie hilft Vielfalt den Unternehmen?
Wir Menschen haben alle einen ganz natürlichen Hang zur Uniformität. Und wenn ich selber jetzt ein Team habe, das aus lauter Mini Annahitas besteht, dann ist dieses Team sehr leicht zu managen für mich, weil diese Menschen ticken alle so ähnlich wie ich, die kann ich sehr, sehr leicht überzeugen von den Zielen, die ich habe.
Jetzt ist es aber so, dass homogene Teams zwar vielleicht komfortabler sind, auch oftmals harmonischer zusammenarbeiten. Aber mit einer viel höheren Gefahr einhergehen, dass man bestehende Schwächen oder auch Potentiale übersieht. Und damit ist die Reibung, die durch Vielfalt entsteht, die oftmals auch unbequem sein kann, notwendig dafür, dass Innovationen überhaupt erst entstehen können.
Warum sollten auch Arbeitgeberinnen, Arbeitgeber und Führungskräfte das Buch lesen?
Wir befinden uns in Zeiten des sich stetig zuspitzenden Fachkräftemangels, in Zeiten des demografischen Wandels. Die Babyboomer-Generation geht in Rente und hinterlässt eine klaffende Lücke auf dem Arbeitsmarkt und in dem Zuge können es sich Unternehmen nicht leisten, aufgrund ihrer Vorurteile auf Talente zu verzichten oder aufgrund einer Kultur, die behaftet ist von Benachteiligung und Diskriminierung, Menschen zu verlieren.
Und deswegen ist es aus meiner Sicht unumgänglich, wenn man als Arbeitgeber zukunftsfähig bleiben möchte, sich mit Vorurteilen und mit Benachteiligung auseinanderzusetzen.
Infos zum Buch:
„Von Quotenfrauen und alten weißen Männern“ ist im Campus-Verlag erschienen, umfasst 240 Seiten und kostet 22 Euro. ISBN: 9783593517551.